Einsatzbericht

"Langer Rede, kurzer Sinn ..." (nach Friedrich Schiller)"

Nach der Stippvisite In Hanoi ging die Reise weiter nach Hue. Mit der Universität und dem Central Hospital in Hue, einem der größten Krankenhäuser in Vietnam, war nach Gesprächen im August 2022 zuvor vereinbart worden, enger auf den Gebieten der Lehre und Postgraduiertenausbildung zu kooperieren.
Das Team wurde von der Universität Hue am Samstag herzlich begrüßt und anschließend eine Reihe von Patientenfällen diskutiert.   

Am Montag wurde die Delegation im Central Hospital von Prof. Hiep, Loi und Phu offiziell begrüßt und unter der Leitung von Helmut erfolgte auch hier die Sichtung der kleinen Patienten und Patientinnen.

In der Universität wurden mit Prof. Nguyen Minh Tam und seinem Team der odonto-stomatologischen Abteilung insgesamt sechs Patienten gemeinsam operativ behandelt. Neben der klinischen Arbeit und dem Gedankenaustausch auf kiefer-orthopädischem  und kiefer-chirurgischem Sektor wurden von Angelika, Alexander und Bert Vorlesungen und Seminare am 9. März gehalten. Die Kolleg*innen der Universität Hue haben nach Ausführungen des Vize-Direktors Prof. Nguyen Minh Tam großes Interesse, an einer wissenschaftlichen Kooperation und einem Austausch von Mitarbeitern. In diesem Zusammenhang wies er auch auf die aufstrebende Rolle der Hue Universität hin. Von Alexanders Seite wurde der Wunsch geäußert, sich intensiver mit der interdisziplinären Spaltbehandlung und im Speziellen mit Integration der HNO und der Sprachtherapie auseinanderzusetzen. Es wurde zwischen den Delegationen vereinbart „research und teaching proposals“ zu erstellen und einen erneuten Einsatz vom 4.-9. März 2024 zu planen.

Erste Schritte im Hinblick auf die Ausbildung vietnamesischer Kolleg*innen hat Tanja schon getan. Thuong, eine Mitarbeiterin der Universität Hue möchte eine Dissertation an der Universität Greifswald verfassen. Derzeit werden die  formalen Voraussetzungen dazu auf deutscher und vietnamesischer Seite abgeklärt.
Bislang waren die Gespräche insbesondere mit den Kolleg*innen der Universität von Respekt und Interesse geprägt, so dass die Hoffnung besteht, neben der klinischen Behandlung auch die Themen Wissenschaft Lehre und Weiterbildung in Zukunft noch intensiver und nachhaltiger zu transportieren. Dank der freundlichen Aufnahme und des regen Interesses insbesondere von Frau Dr. Dan Nguyen, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Universitätsklinik für Kieferorthopädie, fühlte sich das Team sehr gut aufgehoben.Auch mit den Mitarbeitern der Anästhesie des Central Hospitals und der Universität, Dung und Thuong bestand nicht nur im OP ein reger Austausch über fachliche Fragen.

Nach einem Abschlussgespräch mit der Klinik am Freitag ging es dann mit dem Bus nach DaNang, wo wir wieder im DC-Hotel bei der Familie Pham Quartier bezogen. Am Samstag stand wieder das Screening der Patienten in zwei Sitzungen an. Laut Hien hatten sich über 100 Kinder mit Eltern angesagt. Im Gegensatz zu den letzten Einsätzen wurde auf eine rein digitale Dokumentation mit einer von Annika Scheer im Rahmen des letzten Einsatzes programmierten Datenbank auf der Basis von Ninox gesetzt. Bei der Befundaufnahme konnte Kaypii, eine Studierende mit guten Englischkenntnissen Alexander, Martin, Hien und die Helferin Than hervorragend unterstützen. Angelika war in der Lage simultan ergänzende Bilder in die Datenbank mittels ihres iPads zu speichern, was die Dokumentation und die Qualität bei der Nachsorge der Patienten in Zukunft verbessern wird. Auch die Befunde von Ann und ihrer vietnamesischen Mitarbeiterin sollen auf diese Weise in die Datenbank aufgenommen werden.   

Neben Hien und Kaypii haben wir wertvolle Unterstützung von Dr. Thang einem Oralchirurgen der Universität DaNang erfahren, der uns bei operativen Eingriffen unterstützt hat. Auch die „Hue-Achse" bestehend aus Dung und Thuong wurde durch eine Anästhesistin in Weiterbildung der Hue Universität , Vo Thi Thanh Kieu erweitert, was uns bei drei Tischen sehr zupass kam. Neben der Narkoseführung bei Kindern wurde auch der Gebrauch eines Videolaryngoskops unter Anleitung von Piepsi und Markus geübt. Dadurch, dass Hien und Ky im Vorfeld wieder ins Hochland gefahren waren, um für den Einsatz zu werben, konnte mehr Kindern geholfen werden als im August/September 2022. Auch die Anzahl der primären Spaltbildungen war deutlich höher. Kinder mit Sprachauffälligkeiten wurden Ann vorgestellt, die in Kooperation mit einer vietnamesischen Kollegin eine logopädische Diagnostik und Behandlung eingeleitet hat.

Christoph und Tho haben uns in bewährter Art und Weise bei dem Legen von Paukenröhrchen und der Kontrolle von Ohrbefunden unterstützt. Herr Hoang, der in Deutschland BWL studiert hatte und in Vietnam Geschäftsführer mehrerer Hörgeräteakkustikergeschäfte ist, bot uns kostenlose Unterstützung bei der Versorgung von Schwerhörigen an. Von Christoph erhielt er 30 Hörgeräte zur Überprüfung und ggf. Weitergabe. Einige Patienten konnten an seine Mitarbeiter zur Hörgeräteversorgung vermittelt werden.

Um eine interdisziplinäre Spaltbehandlung der vorgestellten Kinder im Hinblick auf die Kieferorthopädie zu ermöglichen, haben Angelika und Bert mit dem Team der neu gegründeten Zahnklinik in DaNang Kontakt aufgenommen. Nach gemeinsamer Falldiskussion sollte ein Teil der Kinder durch vietnamesischer Kieferorthopäden*innen weiter betreut werden. Wie erfolgreich die interdisziplinäre Behandlung von Kindern und Jugendlichen vor Ort sein kann, beweist der Fall einer jungen Frau, die sich bei Chi, Angelika und Bert für die erfolgreiche Behandlung bedankt hat. Wie auch in den vorigen Jahren war der Kontakt mit der Familie Pham familiär und herzlich. Anläßlich der Geburt von Dungs Tocher wurden Geschenke überreicht und ausführlich sich über den Einsatz und die durch Corona veränderten Verhältnisse in Vietnam ausgetauscht.

Am 17. März musste ein Teil des Teams, bestehend aus Angelika, Alexander, Bert und Martin die Rückreise nach Deutschland antreten. Am Sonntag wurde auch in Vietnam nicht operiert. Somit blieb für Dr. Dr. Andreas Hamacher, Prof. Dr. Dr. Christian Lienz, Dr. Christoph Isselstein, Susanne Schaper, Birgit Klär, Dr. Marcus Schmidt, Dr. Dr. Helmut Sieber, Dr. Dr. Jan-Hendrik Lenz und Dr. Ann Dieckmann nach der morgendlichen Visite in der Klinik Zeit für einen Ausflug. Das Ziel war das Hinterland, der Distrikt Quang Nam. Diese sehr ländliche Region beginnt westlich vor den Toren DaNangs. Auf einer Fläche von etwa 700km2 leben zirka 200.000 Menschen. Unser Ausflugsziel hatten wir bewusst gewählt, da es nicht nur landschaftlich sehr schön sein sollte, sondern aus dieser ländlichen und ärmeren Region etliche unserer Patienten kommen. Unser Ausflug ermöglicht uns somit auch einen Einblick in das heimische Umfeld unserer PatientInnen. Zusammen mit unserem Guide Tien ging es auf unseren Mopeds los. Tien führte uns als erfahrener Motorrad—Guide durch das quirlige und mitunter hektische Treiben der Millionenstadt DaNang. Durch die eine oder andere Ampel wurde die Gruppe öfter getrennt, fand aber immer wieder zusammen und so erreichten wir gemeinsam den Stadtrand. Hinter einer Brücke bogen wir scharf rechts ab und mit dieser Kurve änderte sich schlagartig die Landschaft. Entlang an einem kleinen Fluss folgten wir auf unseren Mopeds einer gut ausgebauten Straße.    

Die ersten Reisfelder tauchten auf und das Hupen des Stadtverkehrs lag nun endgültig hinter uns. Tien kannte sich in der Region sehr gut aus und zeigte uns auf dem Weg zahlreiche sehenswerte Stopps. Neben landschaftlichen Highlights brachte uns Tien, der gutes Englisch sprach, vor allem mit den Einheimischen in Kontakt. So kamen wir zu der Ehre eines gemeinsamen Tees mit einem 99 Jährigen, der über die Situation und die Belange seines Dorfes berichtete. Unser Weg führte uns immer weiter auf der inzwischen deutlich schmaleren aber allzeit gut befahrbaren Straße in die Berge. Auf einmal verlangsamte ein Mitglied des Anästhesieteams deutlich seine Geschwindigkeit und das Moped rollte mit technischen Defekt auf freier Strecke aus. Alle Versuche die Maschine neu zu starten misslangen. Daher macht sich unser Guide ins nächste Dorf auf, um technische Hilfe zu organisieren und wir blieben in der Nähe einer Schule und eines Tempels zurück — Zeit für eine unfreiwillige Besichtigung. Nach kurzer Zeit kehrte Tien zusammen mit einem hilfsbereiten Mechaniker zurück, der sich des Problems annahm und es selbstverständlich auch löste — typisch Vietnam! Die Weiterfahrt führte uns schließlich in eines der sehr einfachen Dörfer, wo wir freundlich empfangen wurden. In den Helmfächern unserer Roller und unseren Rucksäcken hatten sich zahlreiche Kuscheltiere mit auf den Weg gemacht. Die Kinder des Ortes nahmen diese freudig in Empfang. Die Information über uns Besucher und vor allem unsere Mitbringsel schien sich zügig im Dorf herumgesprochen zu haben — immer mehr Kinder eilten herbei und freuten sich über die plüschigen Geschenke. Der Kontrast der Lebensumstände der dörflichen Region im Vergleich zur Großstadt DaNang war beeindruckend und führte uns  nochmals vor Augen für welche Patientengruppen wir „Hilfe zur Selbsthilfe“ leisten.

Die fortgeschrittene Zeit und die bald einbrechende Dunkelheit drängten uns zur Rückfahrt, die glücklicherweise ohne weitere technische Probleme, wohl aber mit vielen weiteren schönen Eindrücken verlief. Das Resümee eines vielseitigen Tages: Nach 120 km auf dem Roller tut einem zwar der Hintern weh, für die Eindrücke dieser Fahrt lohnte sich dies aber allemal.

In der zweiten Woche wurde am Montag und Dienstag noch operiert. Hier standen neben Sekundärkorrekturen auch zwei funktionelle Septorhinoplastiken auf dem Plan. Gegen Ende des Einsatzes besuchten uns Dr. Khiem, Neuroradiologe aus Lemgo, der zusammen mit Hop studiert und vietnamesische Wurzeln hat, mit seiner Tochter Thy, einer Zahnärztin. Dr. Khiem äußerte Bereitschaft, uns in Zukunft bei unseren Einsätzen als Dolmetscher und Koordinator zu begleiten. Insgesamt wurden während der sieben OP-Tage 52 Patienten operativ behandelt. neben 11 primären Lippen-, bzw. 9 primären Gaumenspaltverschlüssen wurden 11 Restlochverschlüsse und 8 sprechverbessernde Eingriffe sowie 6 Sekundärkorrekturen im Bereich der Lippe vorgenommen. Erfreulicherweise gab es keine Komplikationen zu beklagen. Am Mittwoch, nach erfolgreichem Abschluss des OP-Programms stand die Feier mit der Klinik an. In aller Form wurde dem vietnamesischen Team für die Zusammenarbeit währende der letzten zwei Wochen gedankt. Insbesondere die Tatsache, dass die Rehaklinik uns ermöglicht hatte, durchgängig auf drei Tischen zu operieren ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Dem Klinikchef Dr. Thành wurde hierfür ausgiebig gedankt. Durch die kontinuierliche Integration vietnamesischer Kolleginnen und Kollegen, sowie die Kooperation mit der Universität Hue, dem Central Hospital in Hue sowie weiteren Krankenhäusern und Praxen wurde das Ziel von DEVIEMED, Fähigkeiten und Wissen zu vermitteln, nachhaltig verfolgt. In Zukunft werden uns ein Facharzt für  Anästhesie und zwei erfahrene Residents im 4 Jahr von der Universität Hue vor Ort in DaNang unterstützen.

Mit viel Optimismus und Aufbruchsstimmung blicken wir auf die nächsten Einsätze. Vom 8.-22. September 2023 wird es hoffentlich wieder soweit sein …